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Was ist Lernen durch Engagement?

»Lernen durch Engagement (LdE) [auch bekannt als Service Learning] ist eine Lehr- und Lernform, die gesellschaftliches Engagement von Schüler*innen mit fachlichem Lernen verbindet.«
Seifert, Zentner & Nagy, Praxisbuch Service-Learning 

Lernen durch Engagement trägt zu folgenden Zielen bei:

  1. Demokratie und Zivilgesellschaft stärken: Kinder und Jugendliche erleben, dass sie Gesellschaft mitgestalten können. Sie erwerben Demokratie- und Sozialkompetenz und werden in ihrer Persönlichkeit gestärkt. 

  2. Schule und Lernkultur verändern: Kinder und Jugendliche planen und unternehmen ihre Engagementvorhaben selbstständig und reflektieren ihre Erfahrungen gemeinsam in der Schule. Die Inhalte des Bildungsplans werden für die Unternehmungen nutzbar gemacht und als relevant erlebt.

Schüler*innen …

… setzen sich in Kunst und Deutsch mit den Potenzialen und Gefahren sozialer Netzwerke auseinander

und

entwickeln hierzu eine Handreichung in »Leichter Sprache« für andere Jugendliche, um damit andere, inklusiv arbeitende, Bildungseinrichtungen in ihrem Stadtteil zu unterstützen.

… lernen in Biologie das Sinnesorgan Haut und im Technikunterricht verschiedene Energiearten kennen

und

engagieren sich für die Deutsche Krebshilfe, indem sie die Sonnenschutzmaßnahmen in einem Kindergarten prüfen und über wirksamen Sonnenschutz beraten.

… arbeiten in Politik zu den Themen Krieg, Flucht, Asyl und der Situation von Geflüchteten

und

erkunden gemeinsam mit jugendlichen Menschen mit Fluchterfahrung ihre Stadt, um einen Stadtplan für Geflüchtete und internationale Gäste zu entwickeln.

Die Formen, die LdE annehmen kann, sowie die Inhalte des Engagements, sind so vielfältig, wie die Rahmenbedingungen und Ziele der Schule, Fächer, Lehrkräfte, Schüler*innen, Engagementpartner*innen. Die jeweiligen Fachinhalte fließen in das Engagement ein, die Umsetzung wird wiederum Bestandteil der Note. Entlang von sechs Qualitätsstandards lassen sich die Vorhaben nach Bedarf ausgestalten.

Wichtig zu wissen: LdE-Vorhaben erfüllen die Anforderungen an fachliche und überfachliche Kompetenzen, wie sie in den Bildungsplänen formuliert sind, und sind damit Teil des Unterrichts.

Den organisatorischen Rahmen findet LdE z.B.

  • in Verbindung des Fachunterrichts mit Projektwochen,

  • in fächerübergreifenden Unterrichtsformen/Projekten,

  • in Wahlpflichtkursen,

  • als Fach »Verantwortung«


Die Dauer ist dabei ganz unterschiedlich – von einigen Wochen bis zu einem ganzen Schuljahr.

Literatur:

A. Seifert, S. Zentner, F. Nagy: Praxisbuch Service-Learning. »Lernen durch Engagement« an Schulen. Mit Materialien für Grundschule und Sekundarstufe I + II, Beltz, 2., aktualisierte Auflage 2019

Warum Lernen durch Engagement?

Klimawandel, Digitalisierung, soziale Ungleichheit und sich ausbreitende rechtsextreme Positionen gefährden Demokratie und Zusammenhalt - wir stehen vor großen Herausforderungen und Zumutungen.

Gerade Schulen müssen Antworten finden und junge Menschen in ihren Problemlösekompetenzen stärken, denn Kinder und Jugendliche leiden massiv – psychische Belastungen und Schulabsentismus nehmen drastisch zu. Projektbezogener Unterricht und demokratische Schulentwicklung können einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, den Lernort Schule wieder als sinnhaft und stärkend zu erleben. Das Umfeld von Schule einzubeziehen, um Gesellschaft von Anfang an aktiv mitzugestalten, und dabei schulische Inhalte und fachliches Wissen als Werkzeug für diese Gestaltung zu nutzen, ermöglicht Selbstwirksamkeitserfahrungen und Sinnhaftigkeit und macht Schüler*innen Mut, die Zukunft positiv beeinflussen zu können.

Auch Engagement verändert sich: Junge Menschen wachsen nicht mehr automatisch ins Engagement hinein und Nachwuchs fehlt aufgrund des demografischen Wandels. Es braucht attraktive, neue Formate wie Lernen durch Engagement (Service Learning), wie bereits in der Bremer Engagementstrategie 2023 gefordert.

Bremen hat mit einer Armutsquote von fast 30% dabei besondere Herausforderungen. Vor allem Menschen mit höherem Einkommen und Bildung engagieren sich, während armutsbetroffene Menschen oft außenvor bleiben. Schulen können durch Lernen durch Engagement alle jungen Menschen einbinden und Selbstwirksamkeit fördern. Denn: Frühe positive Engagementerfahrungen erhöhen die Wahrscheinlichkeit für späteres Engagement.

Wie wirkt Lernen durch Engagement?

Studien bescheinigen Lernen durch Engagement (Service Learning) vielfältige positive Effekte bei der Entwicklung einer demokratische Schulkultur, einer an der Verknüpfung lokaler Lebenswelten orientierten Unterrichtsentwicklung, sowie im Hinblick auf Lernmotivation und Selbstwirksamkeitserfahrungen bei Schüler*innen.

Durch die Zusammenarbeit mit außerschulischen Partner*innen aus der Zivilgesellschaft trainieren die Schüler*innen im Team gesellschaftliche Verantwortungsübernahme, bürgerschaftliches Engagement und Aushandlungsprozesse – und somit Problemlösekompetenzen, die für den demokratischen Zusammenhalt zukunftsweisend sind.

  • Schüler*Innen
    … erleben Selbstwirksamkeit, werden in ihrer Lernmotivation durch unmittelbare Anwendung der Lerninhalte gestärkt und erlernen demokratische Kompetenzen. …Sie erweitern ihre Perspektive auf ihre berufliche Zukunft und entwickeln die Bereitschaft, sich auch in Zukunft aktiv in der Gesellschaft zu engagieren.
    … dabei üben sie Teamarbeit, schärfen ihre kommunikativen Fähigkeiten und verbessern Problemlösefähigkeiten. Sie erweitern ihre fachlichen Kompetenzen und wenden Mittel des Projektmanagements an.

  • Lehrer*innen

    … verbinden den Fachunterricht des Bildungsplans mit lokalen Lebenswelten und tragen so zu einer stärkeren Verankerung der Unterrichtsinhalte bei.
    … sie profitieren durch die Öffnung des Unterrichts von den Anregungen der LdE-Begleiter*innen sowie Fortbildungen und Austauschformaten.
    … zudem tragen sie durch die Gestaltung von partizipativem Unterricht zur demokratischen Schulentwicklung bei.

  • Zivilgesellschaftliche Organisationen

    … bauen durch die Zusammenarbeit mit Schüler*innen Beziehungen zu der jüngeren Generation auf und
    … erhalten durch die Fragen und Rückmeldungen der Schüler*innen ein Feedback zu ihrer Wirkung auf jüngere Generationen.

  • Für die Gesellschaft insgesamt:

    … der gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Demokratie werden gestärkt.
    … die Verantwortungsübernahme und Problemlösungskompetenz der jüngeren Generation für die aktuelle und zukünftige Herausforderungen unserer Zeit nimmt zu.
    … die Zukunftsfähigkeit von Schule und zivilgesellschaftlichen Organisationen wird gestärkt und das Vertrauen in Organisationen wächst.

»Allen Beispielen [von Lernen durch Engagement] gemeinsam ist, dass junge Menschen sich in doppelter Weise demokratisch beteiligen: im Unterricht und in der Gesellschaft. …

… Im Sinne einer demokratischen Lernkultur innerhalb der Schule planen und gestalten die Schüler*innen ihr Engagement selbst, reflektieren in der Klasse über dessen Verlauf, besprechen Probleme und erarbeiten Lösungsvorschläge. …

… Dabei wenden sie ihr Wissen und ihre Kompetenzen direkt in der Praxis an, indem sie in Zusammenarbeit mit Engagementpartnern aktiv werden für soziale, ökologische, kulturelle oder politische Anliegen, die sie bewegen.«

Aus: Mauz, A. & Gloe, M. (2019). Demokratiekompetenz bei Service-Learning. Modellentwicklung und Anregungen für die Praxis. Berlin: Stiftung Lernen durch Engagement.

Demokratie lernen? - Mit Lernen durch Engagement!


Ein Problem im eigenen Umfeld erkennen, gemeinsam dafür Lösungen im Team aushandeln und diese zusammen mit anderen in Kooperation umsetzen und reflektieren – durch Lernen durch Engagement entwickeln Schüler*innen vielfältige demokratische Kompetenzen.

Lernen durch Engagement schult kritisches Denken und ermöglicht praktische Handlungsfähigkeiten. Konflikt- und Dialogfähigkeit, Einfühlungsvermögen und die Erfahrung, dass das eigene Handeln einen Unterschied macht (auch Selbstwirksamkeit genannt) werden dabei genauso gefördert wie die Anerkennung demokratischer Prinzipien und Werte, sowie Toleranz und soziales Verantwortungsbewusstsein.

Dies wirkt sich nicht nur positiv auf die Schulkultur aus, sondern stärkt auch das demokratische Miteinander und das Vertrauen in die Demokratie insgesamt.

Die Stiftung Lernen durch Engagement hat ein Modell zur Demokratiekompetenz bei LdE erstellt, das Theorie und praktische Erprobung von Demokratie zusammenbringt:

Besonders hoch ist der Zuwachs an personellen, zivilgesellschaftlichen und demokratischen Kompetenzen durch Lernen durch Engagement bei Schüler*innen aus benachteiligten Stadtteilen. Dies zeigen umfangreiche Studien zu Service-Learning (LdE) aus den USA. (vgl. A. Seifert: Resilienzförderung in der Schule)

Literatur:

Mauz, A. & Gloe, M.: Demokratiekompetenz bei Service-Learning. Modellentwicklung und Anregungen für die Praxis. Berlin: Stiftung Lernen durch Engagement. 2019 Download hier

Seifert, A: Resilienzförderung in der Schule. Darin: Welche Wirkung hat Service-Learning auf Schüler? Wiesbaden 2011. S. 62f

Qualitätsstandards

Bei der großen Vielfalt an Möglichkeiten bieten die LdE-Qualitätsstandards sichere Leitplanken, um qualitätvolle LdE-Vorhaben zu entwickeln und umzusetzen:

1. Realer Bedarf:

Das LdE-Projekt der Schüler*innen behandelt kein fiktives Problem, sondern beschäftigt sich mit einer echten gesellschaftlichen Herausforderung und einem echten Unterstützungsbedarf bei einem Engagementpartner im Stadtteil. Den Schüler*innen wird deutlich, dass Sie gebraucht werden und dass es auf sie ankommt.

2. Curriculare Anbindung:

Service-Learning ist Teil des Unterrichts, und das Engagement wird mit Lerninhalten und Kompetenzen aus den Bildungsplänen verknüpft. Das kann in der Praxis ganz unterschiedlich aussehen. Ob als mehrwöchiges Projekt in einem Fach, fächerübergreifendes Vorhaben im Projektunterricht oder als Wahlpflichtkurs - die Schüler*innen erfahren, dass sie mit dem, was sie in Schule lernen, wirklich etwas bewegen können.

3. Reflexion:

Es findet eine regelmäßige und bewusst geplante Reflexion der Erfahrungen der Schüler*innen statt. Durch das Nachdenken über das, was sie beim Engagement erwartet, was sie dort erleben und was all das mit ihrem eigenen Lernen und dem größeren gesellschaftlichen Kontext zu tun hat, erwächst für die Schüler*innen ein emotionaler, sozialer und kognitiver Kompetenzgewinn aus den praktischen Erfahrungen.

4. Partizipation von Schüler*innen:

Die Schüler*innen sind aktiv an Planung, Vorbereitung und Ausgestaltung ihres LdE-Projekts beteiligt. Kinder und Jugendliche sollen bei Lernen durch Engagement echte Teilhabe erfahren und das in allen Phasen des Projekts – von der Planung und Durchführung bis zum Abschluss. Je größer die Mitbestimmung bei Service-Learning, umso mehr Selbstvertrauen, Selbstwirksamkeit, soziale Kommunikationsfähigkeit und kritisches Denken entwickeln die Kinder und Jugendlichen und umso mehr wollen sie sich auch in Zukunft gesellschaftlich einbringen.

5. Engagement außerhalb der Schule:

Das praktische Engagement der Schüler*innen findet außerhalb der Schule und in Zusammenarbeit mit Engagementpartner*innen statt. Im Kontakt mit Kita, Pflegeheim, Bezirksamt, Jugendlichen mit Suchterkrankungen, Umweltschutzverein, Menschen mit Fluchterfahrung und vielen anderen setzen sich die Schüler*innen mit authentischen Situationen und Bedürfnissen auseinander, sie reden, planen und kooperieren mit Menschen unterschiedlicher Lebens- und Erfahrungshintergründe. Das bietet wertvolle Lerngelegenheiten und baut gesellschaftliche Brücken.

6. Anerkennung und Abschluss:

Das Engagement und die Leistungen der Schüler*innen werden durch Feedback im gesamten Prozess und bei einem anerkennenden Abschluss gewürdigt. Jungen Menschen etwas zuzutrauen, ihre Ideen und ihr Engagement wertzuschätzen und regelmäßiges Feedback zu ermöglichen - dies ist Teil einer umfassenden Anerkennungskultur, die qualitätsvolles Lernen durch Engagement auszeichnet. Sie umschließt ebenso die Beiträge aller anderen Beteiligten, ob Lehrer*innen oder Engagementpartner*innen und mündet am Ende eines LdE-Projekts in eine gemeinsame Auswertung und einen feierlichen Abschluss.

Quelle: In Anlehnung an die Qualitätsstandards der Stiftung Lernen durch Engagement

O-Töne ... aus Wissenschaft und Praxis

Hanna Ipsen

(Schülerin an der Heinrich-Heine-Schule in Büdelsdorf)

Für mich ist LdE die Möglichkeit, meine Persönlichkeit frei zu entwickeln, immer wieder Neues zu lernen und immer wieder erfolgreich Hindernisse zu überwinden.
Timo Rohwer

(Schüler an der Heinrich-Heine-Schule in Büdelsdorf)

Durch LdE konnte ich im Unterricht eigene Ideen einbringen. Unsere Klassengemeinschaft hat sich gebessert, wir haben gelernt, dass jede*r irgendetwas besonders gut kann. Und einige haben sogar herausgefunden, was sie beruflich machen möchten.
Portraitbild von Prof. Dr. Anne Sliwka
Prof. Dr. Anne Sliwka

(Institut für Bildungswissenschaft, Universität Heidelberg)

LdE gibt Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit wahrzunehmen, dass die Welt nicht nur aus ihnen und ihrer sozialen Wirklichkeit besteht, sondern dass es auch noch andere Welten gibt und dass man Probleme, die man wahrnimmt, gemeinsam angehen kann. Das ist vor allem für Jugendliche eine sehr gute Erfahrung und stärkt nachweislich die mentale Gesundheit, weil man seine eigene Wirksamkeit erlebt über sich selbst hinaus.
Dr. Heike Schmidt

(Projektleiterin [’You:sful], Bürgerstiftung Hamburg)

Demokratie muss man praktisch lernen, denn neben theoretischem Wissen aus dem Politikunterricht müssen junge Menschen Demokratie vor allem erleben.
Portraitbild von Marion Schlüter
Marion Schlüter

(Schulleiterin und Initiatorin von LdE in Schleswig-Holstein)

Viele Schulen haben alle Hände voll damit zu tun, ihr Kerngeschäft vernünftig zu erledigen. Schulen, die LdE als neuen Weg der Didaktik in ihrem Schulentwicklungsprozess erfahren – vor allem mit Blick auf das eigene Erleben – faszinieren Schüler*innen und Lehrkräfte gleichermaßen.
Portraitbild von Meike Herminghausen
Meike Herminghausen

(Lehrerin und LdE-Schulbegleiterin in Bremen)

Mein persönliches Highlight: Ein Schüler, der sich sonst nie am Unterricht beteiligte, erklärte von sich aus die Gelingensbedingungen für eine gleichwertige Zusammenarbeit mit geflüchteten Jugendlichen.